Patentrecht

EPG-Report 10|24

Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts (Unified Patent Court)

Das Einheitliche Patentgericht (EPG) hat sich rasch als beliebter Gerichtsstand in Europa etabliert. Der EPG-Report von Gleiss Lutz berichtet regelmäßig über diejenige EPG-Rechtsprechung, die für die Herausbildung des neuen einheitlichen Patentrechts und Patentprozessrechts in Europa am bedeutsamsten ist. 

Das EPG hat die ersten beiden Hauptsacheentscheidungen in Verletzungsverfahren erlassen und das EPG-Berufungsgericht hat zum ersten Mal eine einstweilige Verfügung bestätigt. Zudem sind zahlreiche verfahrensrechtliche Anordnungen ergangen, u.a. zur Verfahrenssprache, zum Geheimnisschutz und zur Beweisvorlage.

Unser EPG-Report 10|24 behandelt folgende Themen:

  • Geschäftsführerhaftung
  • Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren
  • Rechtsbestand im einstweiligen Verfügungsverfahren
  • Mittelbare Patentverletzung
  • Vorbenutzungsrecht
  • Umfang der Auskunft im Verletzungsverfahren
  • Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen
  • Drohende Patentverletzung
  • Auslegung von Patentansprüchen
  • Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit


Geschäftsführerhaftung

Das EPG kann nach Auffassung der Lokalkammer München auch gegen die Mitglieder der Geschäftsführung eines Unternehmens ein gerichtliches Verbot erlassen, weil ein Unternehmen für patentverletzende Benutzungshandlungen regelmäßig die Dienste der Geschäftsführung in Anspruch nehme (Anordnung vom 13. September 2024 – UPC_CFI_390/2023): 

Ein Geschäftsführer ist nicht bereits aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer einer patentverletzenden Gesellschaft selbst Verletzer. Insoweit legt das EPG den im EPGÜ nicht definierten Begriff des „Verletzers“ dahingehend aus, dass eine Patentverletzung nur begehe, wer ein Patent ohne Zustimmung des Patentinhabers selbst „benutzt“. Eine solche Benutzung setze nach der Rechtsprechung des EuGH ein aktives Tun und eine Herrschaft über die Benutzungshandlung voraus. 

Gegen ein Mitglied der Geschäftsführung einer patentverletzenden Gesellschaft kann jedoch als „Mittelsperson“ im Sinne des Art. 63 Abs. 1 S. 2 EPGÜ ein gerichtliches Verbot erlassen werden. Die Mittelsperson hafte nur auf Unterlassung, jedoch nicht auf Schadensersatz. Dabei handelt es sich nicht um einen Fall der aus den nationalen Rechtsordnungen bekannten Haftung von Organen juristischer Personen, die regelmäßig nur bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten greift. 

Ausreichend sei vielmehr, dass (i) der Geschäftsführer der Gesellschaft einen Dienst erbringt, der von der Gesellschaft zur Verletzung eines Patents in Anspruch genommen wird, und (ii) der Geschäftsführer das Verletzungsgeschehen beeinflussen kann. Das ist – so muss man die Lokalkammer München wohl verstehen – für Geschäftsführer regelmäßig anzunehmen. Das gelte grundsätzlich für alle Mitglieder der Geschäftsführung und zwar auch für solche, deren primärer Aufgabenbereich nicht im Bereich der Herstellung oder des Vertriebs patentverletzender Produkte liegt, sondern bspw. im Bereich Finanzen oder Personalwesen. Denn – so die Lokalkammer München – auch solche Mitglieder eines mehrköpfigen Leitungsgremiums erbrächten in der Regel Dienstleistungen für das patentverletzende Unternehmen, die nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass die konkreten patentverletzenden Handlungen entfielen. 

Die Lokalkammer München verschärft mit ihrer Entscheidung die nach der nationalen deutschen Rechtsprechung ohnehin schon strenge Haftung von Mitgliedern der Geschäftsführungen für den Unterlassungsanspruch, indem sie die Haftung auch für Geschäftsführer annimmt, deren Verantwortungsbereich nicht Herstellung und/oder Vertrieb patentverletzender Produkte betrifft. Es bleibt abzuwarten, ob das Berufungsgericht sich die Auffassung der Lokalkammer München zu eigen macht, dass Mitglieder der Geschäftsführung eines patentverletzenden Unternehmens als „Mittelsperson“ i.S.d. Art. 63 Abs. 1 S. 2 EPGÜ anzusehen sind (was eher zweifelhaft erscheint).

Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren

In einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem EPG gilt ein Dringlichkeitserfordernis in zeitlicher Hinsicht. Das EPG hat zu berücksichtigen, ob der Antragsteller unangemessen lange mit der Antragstellung zugewartet hat. Laut Berufungsgericht ist der Zeitraum des Zuwartens ab dem Tag zu bemessen, an dem der Antragsteller von der Rechtsverletzung eine solche Kenntnis hat oder hätte haben müssen, dass er in der Lage ist, einen Antrag auf einstweilige Maßnahmen erfolgsversprechend zu stellen (Anordnung vom 25. September 2024 – UPC_CoA_182/2024). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller über die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel verfügt oder bei gebotener Sorgfalt hätte verfügen müssen. 

Das Berufungsgericht hat bislang offengelassen, wieviel Zeit dem Antragsteller ab diesem Zeitpunkt maximal zusteht, seinen Verfügungsantrag beim EPG einzureichen. Wann ein unangemessen langes Zuwarten vorliegt, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsprechung der Lokalkammern des EPG ist in dieser Frage uneinheitlich: 

Die Lokalkammern Düsseldorf und Hamburg verlangen, dass der Verfügungsantrag innerhalb eines Monats angebracht wird (Anordnung vom 9. April 2024 – UPC_CFI_452/2023Anordnung vom 30. April 2024 – UPC_CFI_463/2023Anordnung vom 3. Juni 2024 – UPC_CFI_151/2024). Die Lokalkammer München billigt dem Antragsteller zwei Monate zu (Anordnung vom 27. August 2024 – UPC_CFI_74/2024; zuvor: Anordnung vom 21. Mai 2024 – UPC_CFI_443/2023). Demgegenüber befand die Lokalkammer Den Hang in einem besonders gelagerten Fall, dass selbst der Ablauf von fast elf Monaten zwischen Kenntniserlangung von der Patentverletzung und Einreichung des Verfügungsantrags nicht dringlichkeitsschädlich war (Anordnung vom 31. Juli 2024 – UPC_CFI_195/2024). Die einzelfallspezifischen Ausführungen der Lokalkammer Den Haag dürften jedoch nicht verallgemeinerungsfähig sein. Bis zu einer anderweitigen Äußerung des Berufungsgerichts sollten Antragsteller anstreben, einen Verfügungsantrag innerhalb von einem Monat ab Kenntniserlangung einzureichen.  

Rechtsbestand im einstweiligen Verfügungsverfahren

Eine einstweilige Verfügung kommt nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts nur in Betracht, wenn das Gericht es nicht als überwiegend wahrscheinlich ansieht, dass das Patent nichtig ist (Anordnung vom 26. Februar 2024 – UPC_CoA_335/2023). Die Lokalkammer München meint, dass eine vollständige Prüfung aller gegen den Rechtsbestand eines Verfügungspatents vorgebrachten Argumente im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht möglich sei. Die Zahl der gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents vorgebrachten Argumente sei daher in der Regel auf die aus Sicht des Antragsgegners besten drei Argumente zu reduzieren (Anordnung vom 27. August 2024 – UPC_CFI_74/2024; zuvor: Anordnung vom 21. Mai 2024 – UPC_CFI_443/2023). 

Das Berufungsgericht hat demgegenüber kürzlich insgesamt neun Rechtsbestandsangriffe geprüft (Anordnung vom 25. September 2024 – UPC_CoA_182/2024). Es ist nicht anzunehmen, dass das Berufungsgericht, die Rechtsprechung der Lokalkammer München bestätigt. Die Ansicht der Lokalkammer dürfte den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör verletzen, wenn und soweit das Gericht konkrete Rechtsbestandsangriffe unberücksichtigt lässt. Die gezielte Beschränkung der Rechtsverteidigung des Antragsgegners ist auch mit Blick auf den summarischen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht gerichtfertigt: entweder, ein gegen die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents vorgebrachtes Argument ist prima facie irrelevant – dann dürfte es auch bei nur summarischer Prüfung zügig als irrelevant identifiziert werden können; oder es ist prima facie relevant – dann darf das EPG den Rechtsbestandsangriff nicht ignorieren.

Solange das Berufungsgericht die Rechtsprechung der Lokalkammer München nicht ausdrücklich korrigiert hat, ist Antragsgegnern in einstweiligen Verfügungsverfahren vor der Lokalkammer München zu empfehlen, nicht nur drei Nichtigkeitsargumente vorzubringen, sondern sich auch weiterhin mit allen als aussichtsreich angesehenen Rechtsbestandsangriffe zu verteidigen, jedoch die Rechtsbestandsangriffe und deren Reihenfolge besonders sorgfältig zu bestimmen.

Mittelbare Patentverletzung

Die Lokalkammer München hat zur mittelbaren Patentverletzung nach Art. 26 EPGÜ folgende Grundsätze formuliert (Anordnung vom 27. August 2024 – UPC CFI 74/2024):

Bei einer Unterlassungsanordnung wegen einer mittelbaren Patentverletzung ist stets zu erwägen, ob mit Blick darauf, dass die angebotenen bzw. gelieferten Mitteln auch für patentfreie Zwecke genutzt werden können, nur ein relatives Verbot (z.B. das Verbot eines Vertriebes ohne Warnhinweise) anstelle eines absoluten Verbots auszusprechen ist. 

Für die Abwägung zwischen Absolut- und Relativverbot komme es jedoch nicht nur auf die Möglichkeit der patentfreien Verwendung durch den Abnehmer an, sondern sei auch zu berücksichtigen, ob und mit welchem Aufwand dem Anbietenden/Liefernden eine Umgestaltung des Mittels dahingehend möglich ist, dass dem Mittel die Eignung genommen wird, vom Abnehmer patentgemäß verwendet zu werden. Ist eine solche Umgestaltung ohne großen Aufwand möglich, ist ein Absolutverbot dem mittelbaren Patentverletzer eher zumutbar als durch Erlass eines Relativverbots dem Patentinhaber die Kontrolle der Abnehmer des mittelbaren Verletzers aufzubürden. 

Eine unmittelbare Verletzung eines Vorrichtungsanspruchs kann auch dann zu bejahen sein, wenn der Dritter nicht alle Anspruchsmerkmale selbst verwirklicht, sich jedoch Handlungen seiner Abnehmer im Sinne einer verlängerten Werkbank zu eigen macht und es aus Wertungsgesichtspunkten unbillig wäre, den Dritten lediglich wegen einer mittelbaren Patentverletzung haften zu lassen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn „eine konkret umrissene Vervollständigung der patentgemäßen Vorrichtung mit Sicherheit zu erwarten“ sei (Beispiel: Lieferung eines Bausatzes, der um funktionstüchtig zu sein, vom Abnehmer zu einer patentgemäßen Gesamtvorrichtung zusammengefügt werden muss).

Vorbenutzungsrecht

Der Umfang eines Vorbenutzungsrechts richtet sich nach dem nationalen Recht (Art. 28 EPGÜ). Der Nutzer einer erfindungsgemäßen Technologie kann sich nur in dem Umfang auf ein Vorbenutzungsrecht berufen, in dem ihm dies die jeweiligen nationalen Regelungen der jeweiligen Vertragsmitgliedsstaaten zubilligen (Entscheidung vom 3. Juli 2024 – UPC_CFI_7/2023). Im Verfahren vor dem EPG muss der Beklagte das Bestehen eines Vorbenutzungsrechts für jeden der geschützten Vertragsstaaten vortragen, d.h. Vortrag halten sowohl zu den rechtlichen Anforderungen an ein Vorbenutzungsrecht nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung als auch zu den Tatsachen, die diese rechtlichen Anforderungen erfüllen.

Umfang der Auskunft im Verletzungsverfahren

Im Verletzungsverfahren kann zusätzlich zu den in Art. 67 Abs. 1 EPGÜ genannten Informationen auch die Vorlage von Belegen für die Auskünfte nach Art. 67 Abs. 1 EPGÜ verlangt werden, nämlich Rechnungen oder, wenn diese nicht verfügbar sind, hilfsweise Lieferscheine. Zudem können zusätzlich auch Informationen über die Kostenfaktoren, auf die sich die Beklagtenseite bei der Berechnung ihrer Gewinne beruft, sowie solche Informationen verlangt werden, die der Kläger benötigt, um die Auskünfte auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen zu können und Anhaltspunkte für ihre Schadensberechnung zu erlangen. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in Art. 68 Abs. 3 (a), (b) EPGÜ i.V.m. R. 191 S. 1 Alt. 2 VerfO. Nach Ansicht der Lokalkammer Düsseldorf handelt es sich nicht um einen Antrag auf Offenlegung der Bücher (Art. 68 EPGÜ i.V.m. R. 131.1 (c) und R. 141 VerfO), der nicht im Verletzungsverfahren, sondern nur im nachgeschalteten Verfahren zur Schadensersatzhöhe gestellt werden kann (Entscheidung vom 3. Juli 2024 – UPC_CFI_7/2023).

Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen

Die endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen ist eine eigenständige, von dem Rückruf zu trennende Maßnahme. Es werden nur solche Maßnahme zur Entfernung angeordnet, zu denen der Verletzer die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten hat. Der Kläger hat nach Ansicht der Lokalkammer Düsseldorf in seinem Antrag konkrete und hinreichend bestimmte Maßnahmen der Entfernung zu benennen (Entscheidung vom 3. Juli 2024 – UPC_CFI_7/2023). Zum Beispiel kann verlangt werden, dass der Beklagte die gewerblichen Abnehmer auffordert, Aufträge zur Verletzungsform zu stornieren. Ein Antrag etwaige vertragliche Rückforderungsansprüche geltend zu machen und durchzusetzen ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, da er offenlässt, auf welche Art und Weise der Beklagte die vertraglichen Rückforderungsansprüche durchsetzen und wann diese Durchsetzung beendet sein soll.

Drohende Patentverletzung

Eine drohende Rechtsverletzung i.S.d. Art. 62 Abs. 1 EPGÜ setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte vorhanden sind, die darauf hindeuten, dass die Patentverletzung zwar noch nicht stattgefunden hat, der potenzielle Verletzer aber bereits die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass es zur Patentverletzung kommt. Nach Ansicht der Lokalkammer Düsseldorf müssen die Vorbereitungen für die Patentverletzung bereits vollständig abgeschlossen und die Patentverletzung nur noch eine Frage des Beginns der Verletzungshandlung sein (Anordnung vom 6. September 2024 – UPC_CFI_166/2024). Ob diese Umstände vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Antragsteller. 

Im Fall des bevorstehenden Launch eines Generikums ist der Erlass der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht ausreichend. Solange der Generikahersteller nicht an Rabattvertragsausschreibungen teilnimmt, keine Preisverhandlungen in einem EPGÜ-Vertragsmitgliedsstaat gestartet hat und auch ansonsten keine Angebotshandlungen vorgenommen hat, fehlt es an einer unmittelbar bevorstehenden Patentverletzung. 

Auslegung von Patentansprüchen

Zu den Grundsätzen der Patentauslegung zählen nach Ansicht der Zentralkammer München, die sich ersichtlich an der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung orientiert, die Folgenden (Entscheidung vom 16. Juli 2024 – UPC_CFI_14/2023): Die Fachperson wende bei der Auslegung der Patentansprüche kein philologisches Verständnis an; vielmehr komme es auf die technische Bedeutung der verwendeten Begrifflichkeiten an, die mit Hilfe der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift zu ermitteln sei. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs als Ganzes müsse abgeleitet werden, welche technische Funktion den Anspruchsmerkmalen einzeln und in ihrer Gesamtheit zukommt. Das könne dazu führen, dass den Begriffen in einem Patentanspruch ein anderes Verständnis beizumessen sei, als es das allgemeine oder fachliche Begriffsverständnis nahelegt. Die Patentschrift sei insofern ihr eigenes Lexikon. Bei der Anwendung dieser Grundsätze sei dem Interesse des Patentinhabers an einem ausreichenden Schutz und den Interessen Dritter an einem ausreichenden Maß an Rechtssicherheit Rechnung zu tragen.

Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit

Die vom Berufungsgericht (Anordnung vom 26. Februar 2023 – UPC_CoA_335/2023) aufgestellten Grundsätze für die Beurteilung erfinderischer Tätigkeit nach Art. 56 EPÜ hat die Zentralkammer München wie folgt weiter präzisiert (Entscheidung vom 16. Juli 2024 – UPC_CFI_14/2023): 

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei ein objektiver Ansatz zu wählen. Von Bedeutung sei, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich zum Stand der Technik beitrage. Subjektive Vorstellungen des Anmelders oder Erfinders seien grundsätzlich ebenso irrelevant, wie die Frage, ob die Erfindung zufällig oder durch planmäßiges Vorgehen und/oder unter hohem Aufwand erlangt wurde. 

Die erfinderische Tätigkeit sei vom Standpunkt der Fachperson auf Grundlage der Gesamtheit des Standes der Technik einschließlich des allgemeinen Fachwissens zu beurteilen. Die Fachperson gehe von einem realistischen Ausgangspunkt im Stand der Technik aus, wobei es mehrere realistische Ausgangspunkte geben könne und es nicht notwendig sei, den vielversprechendsten Ausgangspunkt zu ermitteln. Ein Ausgangspunkt sei realistisch, wenn er für eine Fachperson im Prioritätszeitpunkt bei der Entwicklung eines Erzeugnisses oder Verfahrens ähnlich dem im Stand der Technik offenbarten Erzeugnis oder Verfahren von Interesse gewesen wäre, also ihm ein ähnliches technisches Problem zugrunde liegt. 

Die erfinderische Tätigkeit sei zu verneinen, wenn es für die Fachperson ausgehend von dem realistischen Ausgangspunkt in Ansehung des zugrundeliegenden technischen Problems naheliegend war, zur beanspruchten Lösung zu gelangen. Im Allgemeinen sei eine Lösung naheliegend, wenn die Fachperson, ausgehend von dem realistischen Ausgangspunkt, veranlasst gewesen wäre, die beanspruchte Lösung in Betracht zu ziehen und sie als nächsten Schritt in der Entwicklung des Standes der Technik umzusetzen. In diesem Zusammengang könne es von Bedeutung sein, ob die Fachperson besondere Schwierigkeiten bei der Durchführung der nächsten Schritte erwartet hätte. 

Das Fehlen einer begründeten Erfolgserwartung ergebe sich aber noch nicht aus der bloßen Tatsache, dass auch andere Wege zur Lösung des zugrundeliegenden Problems führen. Eine technische Wirkung oder ein Vorteil, den der beanspruchte Gegenstand im Vergleich zum Stand der Technik erzielt, könne ein Indiz für erfinderische Tätigkeit sein. Ein Merkmal, das willkürlich aus mehreren Möglichkeiten ausgewählt wurde, könne im Allgemeinen nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

 

Weitere Informationen finden Sie hier: 

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