Arbeitsrecht

Entsendung eines unternehmensfremden Betriebsratsmitglieds eines Gemeinschaftsbetriebs in den Gesamtbetriebsrat

Der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs kann in den Gesamtbetriebsrat eines seiner Trägerunternehmen auch solche Mitglieder entsenden, die in keinem Arbeitsverhältnis zu diesem Trägerunternehmen stehen.

BAG, Beschluss vom 1. Juni 2022 – 7 ABR 41/20

 

Sachverhalt

In einen bei der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebsrat waren u.a. Mitglieder von Betriebsräten aus Gemeinschaftsbetrieben entsandt, die keine Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, sondern eines anderen Trägerunternehmens waren. Ein Betriebsrat wandte sich in einem Beschlussverfahren gegen die Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats und beantragte in letzter Instanz aufgrund anderweitiger teilweiser Verfahrenserledigungen nur noch die gerichtliche Feststellung, dass die Konstituierung des Gesamtbetriebsrats nichtig, hilfsweise unwirksam sei. Er ist der Auffassung, die Entsendung eines nicht bei der Arbeitgeberin beschäftigten Betriebsratsmitglieds aus einem Gemeinschaftsbetrieb in einen bei der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebsrat sei unzulässig. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht blieb er damit erfolglos.

 

Entscheidung des BAG

Auch wenn das BAG die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LAG zurückverwies, hat es zu der materiellen Frage klare Vorgaben gemacht. So führt das BAG aus, dass der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs auch solche Mitglieder in einen Gesamtbetriebsrat eines seiner Unternehmen entsenden könne, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu diesem Unternehmen stehen. Zur Begründung hat es sich ausführlich mit der Vorschrift des § 47 Abs. 2 BetrVG auseinandergesetzt und die Norm ausgelegt. Der Wortlaut lege keine Einschränkung auf Arbeitnehmer des Unternehmens nahe, sondern gehe von einer Entsendungsfähigkeit aller Mitglieder eines Betriebsrats in den Gesamtbetriebsrat aus. Der Gesetzgeber habe die Konstellation eines Gemeinschaftsbetriebs auch nicht etwa übersehen, da er in § 47 Abs. 9 BetrVG die Entsendung von Mitgliedern des Betriebsrats eines Gemeinschaftsbetriebs in den Gesamtbetriebsrat ausdrücklich angesprochen habe. Dass er dennoch keine Beschränkung der Entsendungsfähigkeit geregelt habe, könne vor diesem Hintergrund als gesetzgeberische Entscheidung gewertet werden. Das BAG sieht in diesem Ergebnis auch keinen Widerspruch zum sonstigen System des BetrVG, sondern eine konsequente Fortführung des gesetzlichen Prinzips der Gesamtbetriebsratsbildung. Nach diesem werde der Gesamtbetriebsrat gerade durch Mitglieder legitimiert, die aus allgemeinen Betriebsratswahlen hervorgegangen sind. An diesen Wahlen sind in Gemeinschaftsbetrieben Arbeitnehmer unterschiedlicher Vertragsarbeitgeber deshalb beteiligt, weil sie einem Betrieb zugeordnet sind, dessen Führung ihr Vertragsarbeitgeber gemeinsam mit anderen ausübe. Eine hieraus resultierende Entsendemöglichkeit unternehmensfremder Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat der jeweiligen Trägerunternehmen folge konsequent der unternehmerischen Entscheidung zur Betriebsführung und behalte das Prinzip der durch das aktive Wahlrecht vermittelten Einflussnahme auf die Arbeitnehmerrepräsentation auf der Unternehmensebene bei.

 

Gleiss Lutz kommentiert

Die vorliegende Entscheidung trägt zur Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen in Unternehmen mit Gemeinschaftsbetrieben bei. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG war für Mitglieder des Betriebsrats eines Gemeinschaftsbetriebs nur geklärt, dass diese auch dann in den Konzernbetriebsrat entsandt werden können, wenn sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zu einem der Konzernunternehmen stehen. Die entsprechende Problematik für den Gesamtbetriebsrat wurde dagegen bisher höchstrichterlich noch nicht behandelt. Das BAG hat sie im vorliegenden Verfahren in erfreulicher methodischer Klarheit und Ausführlichkeit entsprechend entschieden. Es hat damit für ein weiteres Stück Rechtsklarheit gesorgt.

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