Am 1. März 2018 tritt die neue Schiedsgerichtsordnung der Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. in Kraft. Sie bringt eine Vielzahl von Neuerungen mit sich, die DIS-Schiedsverfahren schneller und günstiger werden lassen sollen*. Die Neuerungen haben auch Auswirkungen auf die Gestaltung von Schiedsvereinbarungen in der Unternehmenspraxis.
1. Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung
Schnellere Konstituierung des Schiedsgerichts
Bislang vergingen in der Regel zwei Monate, bis ein DIS-Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern konstituiert war. Zukünftig soll dieser Prozess in der Regel nach sechs Wochen abgeschlossen sein. Dafür wurden die Fristen für die Benennung eines Schiedsrichters durch die Schiedsbeklagte und die Benennung des Vorsitzenden durch die beisitzenden Schiedsrichter von jeweils 30 auf 21 Tage verkürzt (Artikel 7.1 und 12.2).
Für die Benennung des Einzelschiedsrichters durch die Parteien gilt an Stelle der bisherigen starren 30-Tage-Frist eine flexiblere Regelung, die die Dauer der Frist in das Ermessen der DIS stellt (Artikel 11). Auch dies dürfte in der Praxis in der Regel zu einer Beschleunigung der Konstituierung führen.
Schnellere Erwiderung auf die Schiedsklage
Bislang setzte erst das Schiedsgericht die Klageerwiderungsfrist. Die Zeit während der Konstituierung des Schiedsgerichts blieb ungenutzt. Zukünftig läuft die Klageerwiderungsfrist bereits ab Eingang der Schiedsklage bei der Schiedsbeklagten und beträgt 45 Tage, verlängerbar auf Antrag bei der DIS um 30 Tage (Artikel 7.2). Eine weitere Verlängerung erhält die Schiedsbeklagte nur wenn sie darlegt, dass aufgrund besonderer Umstände die Frist für die Klageerwiderung von insgesamt 75 Tagen nicht ausreicht (Artikel 7.3). Damit soll erreicht werden, dass die Klageerwiderung bereits kurz nach der Konstituierung des Schiedsgerichts vorliegt.
Verpflichtende Verfahrenskonferenz mit zwingender Erörterung von Maßnahmen zur Steigerung der Verfahrenseffizienz
Das Vorgehen der Schiedsgerichte nach ihrer Konstituierung war bislang unterschiedlich. Die Praxis reichte von der bloßen Setzung von Schriftsatzfristen über die Abstimmung des Verfahrenskalenders mit den Parteien bis hin zu einem aktiven Verfahrensmanagement durch das Schiedsgericht.
Zukünftig hat das Schiedsgericht zwingend kurz nach seiner Konstituierung, in der Regel innerhalb von 21 Tagen, eine Verfahrenskonferenz mit den Parteien abzuhalten (Artikel 27.2). Dort muss es insbesondere den Verfahrenskalender erörtern und mit den Parteien besprechen, inwieweit die in Anlage 3 zur DIS-SchO beschriebenen Maßnahmen zur Steigerung der Verfahrenseffizienz oder das beschleunigte Verfahren gemäß Anlage 4 angewendet werden sollen. Beide Anlagen wurden neu in die DIS-SchO aufgenommen.
Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Steigerung der Verfahrenseffizienz zählen insbesondere die Begrenzung von Umfang und Anzahl der Schriftsätze, die Durchführung nur einer mündlichen Verhandlung, die Aufteilung des Schiedsverfahrens in mehrere Phasen, der Erlass von Teilschiedssprüchen, die Beschränkung der Vorlage von Dokumenten und die Mitteilung der vorläufigen Einschätzung des Schiedsgerichts zur Sach- und Rechtslage. Soweit die Parteien über die Anwendung einer oder mehrerer Maßnahmen uneinig sind, entscheidet das Schiedsgericht über die anzuwendende(n) Maßnahme(n).
Das beschleunigte Verfahren geht in seinen Einschränkungen noch einmal weiter. Dort kann jede Partei zusätzlich zur Schiedsklage und Klageerwiderung nur einen weiteren Schriftsatz einreichen, und der Endschiedsspruch ist grundsätzlich spätestens sechs Monate nach der ersten Verfahrenskonferenz zu erlassen.
Sanktionierung fehlender Effizienz
Die Verpflichtung des Schiedsgerichts und der Parteien auf eine höhere Effizienz ist kein bloßer Papiertiger, sondern wird sanktioniert. Bei der Kostenentscheidung kann das Schiedsgericht die Effizienz der Verfahrensführung durch die Parteien berücksichtigen (Artikel 33.3). Umgekehrt berücksichtigt die DIS bei der Festsetzung der Honorare nach vorzeitiger Verfahrensbeendigung die Effizienz der Verfahrensführung durch das Schiedsgericht (Artikel 34.4).
Schnellere Erstellung des Schiedsspruchs
In der Vergangenheit kam es mitunter zu nicht unerheblichen Verzögerungen bei der Erstellung des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht. Zukünftig sollen DIS-Schiedsgerichte den Schiedsspruch in der Regel innerhalb von drei Monaten nach der letzten mündlichen Verhandlung oder dem letzten zugelassenen Schriftsatz der DIS zur Durchsicht übermitteln (Artikel 37 Satz 1).
Auch diese Regelung ist sanktioniert. Der DIS-Rat kann das Schiedsrichterhonorar auf der Grundlage der Zeit, die das Schiedsgericht bis zum Erlass des Schiedsspruchs benötigt hat, herabsetzen (Artikel 37 Satz 2).
2. Maßnahmen zur Kostenreduzierung
Aktiveres Konfliktmanagement
Eines der wirksamsten Mittel zur Kostenreduzierung ist eine frühzeitige Konfliktlösung. Die DIS-SchO verpflichtet daher das Schiedsgericht zukünftig auf ein aktiveres Konfliktmanagement. Das Schiedsgericht soll nicht nur in jeder Phase eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit oder einzelner Streitpunkte fördern (Artikel 26 – so schon die alte DIS-SchO), sondern mit den Parteien bereits in der ersten Verfahrenskonferenz besprechen, ob eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit oder einzelner Streitpunkte mittels einer Mediation oder eines anderen alternativen Streitbeilegungsverfahrens herbeigeführt werden kann (Artikel 27.4).
Zudem können die Parteien einen Konfliktmanager bestellen lassen, der sie bei der Auswahl des für ihren Fall am besten geeigneten Konfliktlösungsverfahrens berät und unterstützt (Artikel 2.2). Der Konfliktmanager kann vom Schiedsgericht auch zur Anwesenheit in der Verfahrenskonferenz zugelassen werden (Artikel 27.3).
Endet das Verfahren alternativer Streitbeilegung mit einem Vergleich oder einer Entscheidung, hat das Schiedsgericht diese(n) auf Antrag der Parteien in Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut festzuhalten, sofern dem nach Ansicht des Schiedsgerichts kein wichtiger Grund entgegensteht (Artikel 41.2). Dadurch wird die Vollstreckbarkeit des Vergleichs bzw. der Entscheidung im Inland und (über das New Yorker Übereinkommen über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1958) auch im Ausland ermöglicht.
Vermehrter Einsatz von Einzelschiedsrichtern
Nach den bisherigen Regelungen bestand das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart hatten. Typischerweise enthalten Schiedsklauseln entweder keine Regelung zur Schiedsrichteranzahl, oder bestimmen ein Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern. Dies führte in der Praxis dazu, dass in der Regel drei Schiedsrichter zu bestellen waren, was mitunter unverhältnismäßige Kosten auslöste.
Auch unter der neuen DIS-SchO können die Parteien vereinbaren, dass das Schiedsgericht aus einem, drei oder einer anderen ungeraden Zahl von Schiedsrichtern besteht (Artikel 10.1). Haben die Parteien keine Vereinbarung über die Anzahl der Schiedsrichter getroffen, kann jede Partei bei der DIS beantragen, dass das Schiedsgericht aus einem Einzelschiedsrichter bestehen soll. Wird kein solcher Antrag gestellt oder einem solchen Antrag nicht stattgegeben, besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern (Artikel 10.2 DIS-SchO).
- In der Praxis sollte daher zukünftig bei der Vereinbarung eines DIS-Schiedsgerichts erwogen werden, keine Regelung zur Anzahl von Schiedsrichtern aufzunehmen. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Bestellung eines Einzelschiedsrichters zu beantragen, insbesondere in Verfahren mit geringeren Streitwerten. Wird dieser Antrag abgewiesen oder kein Antrag gestellt, entscheidet ein Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern.
3. Regelung von Mehrvertrags- und Mehrparteienverfahren
Während die bisherige DIS-Schiedsordnung nur wenige Regelungen zu Mehrparteienverfahren enthielt und zu Mehrvertragsverfahren gänzlich schwieg, enthält die Neufassung umfangreiche Bestimmungen zu beiden Komplexen.
Mehrvertragsverfahren
Ansprüche, die sich aus mehr als einem Vertrag ergeben, können in einem einzigen Schiedsverfahren behandelt werden, wenn sämtliche Parteien des Schiedsverfahrens dies vereinbart haben (Artikel 17.1).
- Dies bedeutet für die Praxis, dass bereits bei der Vereinbarung eines DIS-Schiedsgerichts zu überlegen ist, ob der Vertrag in einer Mehrvertragskonstellation steht oder durch spätere Vertragsänderungen stehen könnte. In diesem Fall sollte eine Regelung zur Zulässigkeit von Mehrvertragsverfahren aus Gründen der Kosteneffizienz erwogen werden.
- Wollen die Parteien Mehrvertragsverfahren zulassen, ist zudem darauf zu achten, dass die Schiedsvereinbarungen in den Verträgen kompatibel sind. Denn Ansprüche aus mehreren Verträgen können nur dann in einem Verfahren behandelt werden, wenn die Schiedsvereinbarungen miteinander vereinbar sind (Artikel 17.2). Die Verträge müssen also insbesondere einheitliche Regelungen zu der Schiedsrichteranzahl, dem Schiedsort und der Schiedssprache enthalten.
Mehrparteienverfahren
Auch Ansprüche zwischen mehr als zwei Parteien können nur dann in einem einzigen Schiedsverfahren behandelt werden, wenn bereits die Schiedsvereinbarung für alle Parteien vorsieht, dass ihre Ansprüche in einem einzigen Schiedsverfahren behandelt werden können, oder wenn die Parteien dies in sonstiger Weise vereinbart haben (Artikel 18.1).
- Wollen die Parteien also Mehrparteienverfahren zulassen, ist in der Praxis darauf zu achten, dass die Schiedsklausel im Vertrag diese Konstellation ausdrücklich oder implizit abdeckt. Ausweislich der eingangs genannten DIS-Kurzkommentierung soll eine solche implizite Abrede der gemeinsamen Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung durch mehrere Parteien entnehmbar sein.
Die neuen Regelungen adressieren nunmehr auch erstmals Konstellationen der nachträglichen Entstehung eines Mehrparteienverfahrens, nämlich die Verbindung mehrerer Schiedsverfahren (Artikel 8.1: zulässig, wenn sämtliche Parteien zustimmen) sowie die Einbeziehung weiterer Parteien (Artikel 19.1: zulässig bis zur Bestellung eines Schiedsrichters).
Neu geregelt wurde zudem die Konstituierung des Schiedsgerichts in Mehrparteienkonstellationen. Benennen Mehrparteien auf der Schiedskläger- oder auf der Schiedsbeklagtenseite keinen gemeinsamen beisitzenden Schiedsrichter, kann der DIS-Ernennungsausschuss entweder (i) nur für die Mehrparteien einen beisitzenden Schiedsrichter auswählen und bestellen sowie den von der Gegenseite benannten beisitzenden Schiedsrichter bestellen oder (ii) sowohl für die Mehrparteien als auch für die Gegenseite je einen beisitzenden Schiedsrichter auswählen und bestellen (Artikel 20.3).
4. Inkrafttreten
Die neue Schiedsordnung gilt für alle DIS-Schiedsverfahren, die ab dem 1. März 2018 eingeleitet werden (Artikel 1.2 und 6.1).