Arbeitsrecht

Befristete Weiterbeschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze

EuGH, 28. Februar 2018 – C-46/17

Art. 2 II der Richtlinie 2000/78/EG und § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG stehen § 41 SGB VI S. 3 nicht entgegen.

Der Kläger war seit 2001 bei der Freien Hansestadt Bremen als angestellter Lehrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der BAT Anwendung, der mittlerweile durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder („TV-L“) ersetzt wurde. Nachdem der Kläger die Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 beantragte, schlossen die Parteien folgende Vereinbarung nach § 41 S. 3 SGB VI i. V. m. § 30 I 1 TV-L: „Die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom 31.7.2007 gem. § 44 Nr. 4 TV-L wird bis zum 31.7.2015 hinausgeschoben. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf dieses Datums, ohne dass es einer Kündigung bedarf“. Später beantragte der Kläger dennoch die Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Schulhalbjahres 2015/2016. Die Beklagte lehnte dies ab. Der Kläger war der Ansicht, eine Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI sei europarechtlich unzulässig. Das Arbeitsgericht hielt die Befristung für wirksam, während das Landesarbeitsgericht dem EuGH sinngemäß die Frage zur Entscheidung vorlegte, ob die deutsche Regelung mit dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar sei.

Der EuGH ist der Ansicht, im Ausgangsverfahren gehe es nur um eine Bestimmung, die es den Arbeitsvertragsparteien ermögliche, die damit festgelegte Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, und zwar ohne weitere Voraussetzungen, zeitlich unbegrenzt und ggfs. mehrfach. Der nationale Gesetzgeber verfolge mit § 41 S. 3 SGB VI das Ziel, im Einklang mit den Wünschen der Sozialpartner eine flexible und rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, ein Arbeitsverhältnis im Bedarfsfall und unter bestimmten Bedingungen über den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze hinaus fortzuführen. Diese Bedingungen seien grundsätzlich geeignet, es den Parteien zu ermöglichen, das Arbeitsverhältnis nur dann fortzusetzen, wenn sie diese Option im Kontext einer Weiterbeschäftigung nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze für vorteilhaft erachten. Unter solchen Umständen könne § 41 S. 3 SGB VI nicht als Benachteiligung von Personen, die das Rentenalter erreicht haben, gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, i. S. v. Art. 2 II der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden. Die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG beruhe auf der Prämisse, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses seien, aber zugleich werde anerkannt, dass in bestimmten Branchen oder bestimmten Berufen und Tätigkeiten befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung charakteristisch seien. Schon nicht ausgeschlossen sei, dass die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses als bloße vertragliche Verschiebung des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufzufassen sei, es sich also gerade nicht um eine Befristung i. S. d. Richtlinie handele.

Gleiss Lutz Kommentar

Die Entscheidung ist zu begrüßen und führt zu weitgehender Rechtssicherheit, wenn eine vertragliche Regelung existiert, wonach das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet und noch vor diesem Ende das Hinausschieben des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird. Auch das mehrfache Hinausschieben ist grundsätzlich zulässig. Allerdings obliegt es den nationalen Gerichten, in solchen Fällen festzustellen, ab wann von einem Rechtsmissbrauch auszugehen ist. Ein solcher Rechtsmissbrauch könnte vorliegen, wenn z. B. das Ende des Arbeitsverhältnisses über einen längeren Zeitraum hinaus jeweils um einen Monat hinausgeschoben wird. Zu beachten ist allerdings, dass nach dem EuGH im Rahmen der Vereinbarung, mit der das Arbeitsverhältnis hinausgeschoben wird, die Vertragsbedingungen „in keiner Weise geändert“ werden dürfen. Das Problem kann aber ggf. entschärft werden, indem die Vertragsbedingungen noch rechtzeitig vor Ende des auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsvertrages geändert werden.

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