Das BAG (Urteil vom 16. April 2024 – 9 AZR 181/23) hat entschieden, dass eine in AGB enthaltene Ausschlussfristenregelung, nach der “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” binnen bestimmter Fristen geltend zu machen sind, auch den Anspruch auf Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens erfassen kann.
Sachverhalt
Der beklagte Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin (spätere Insolvenzschuldnerin) als Co-Pilot beschäftigt. Er verfügte zunächst nicht über die für die Tätigkeit bei der Arbeitgeberin notwendige Musterflugberechtigung. Um die anfallenden Ausbildungskosten zu finanzieren, wurde noch vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Darlehensvertrag geschlossen, der an mehreren Stellen auf das Arbeitsverhältnis und dessen Zustandekommen verwies. Der zeitlich danach geschlossene Arbeitsvertrag enthielt u.a. eine Klausel bzgl. der Rückzahlung von Restbeträgen aus etwaigen Darlehen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie eine zweistufige Ausschlussfrist, nach der „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ auf jeder der beiden Stufen innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden müssen. Im April 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet und das Arbeitsverhältnis des Beklagten beendet. Im September 2020 forderte der klagende Insolvenzverwalter den Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Darlehensraten auf und kündigte im November 2020 den Darlehensvertrag. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Insolvenzverwalters auf Zahlung der offenen Restbeträge aus dem Darlehensvertrag ab. Das LAG wies die Berufung des Klägers zurück.
Entscheidung des BAG
Auch vor dem BAG blieb der Insolvenzverwalter erfolglos. Nach Ansicht des BAG handele es sich bei dem Anspruch auf Rückzahlung der offenen Beträge aus dem Darlehensvertrag um einen „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“, der aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen sei:
- Unter den Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ fallen alle gesetzlichen, tariflichen und (arbeits-)vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien gerade aufgrund ihrer durch Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben, soweit sich keine sonstigen sachlichen Einschränkungen ergeben. Es komme insofern nicht auf die vertragliche Anspruchsgrundlage, sondern auf den Entstehungsbereich des Anspruchs an. Maßgeblich sei, ob es eine enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis gebe. Bei einem zweckgebundenen Arbeitgeberdarlehen überlasse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gerade mit Rücksicht auf das jeweilige Arbeitsverhältnis einen bestimmten Geldbetrag zur vorübergehenden Nutzung. Wie eng das Darlehen im Einzelfall mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft sei und ob das Darlehen von einer arbeitsvertraglichen Regelung erfasst werde, die nicht nur „in Verbindung“ mit dem Arbeitsverhältnis stehende Ansprüche, sondern nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ betreffe, hänge von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Darlehensvertrags ab.
- Im zu entscheidenden Fall seien Darlehensvertrag und Arbeitsverhältnis eng miteinander verknüpft gewesen, was den Darlehensrückzahlungsanspruch als „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ im Sinne der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung qualifiziere. So fänden sich bspw. inhaltliche Bezugspunkte in der Präambel sowie den Regelungen, dass die Tilgung des Darlehens mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammenfalle und die Darlehensraten monatlich mit der Arbeitsvergütung verrechnet werden. Auf ein konkretes Austauschverhältnis komme es dabei nicht an, da auch solche Ansprüche von der Ausschlussfristenregelung erfasst sein können, die nicht im unmittelbaren arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis zueinander stünden.
- Die Anwendung der Ausschlussfristenregelung aus dem Arbeitsvertrag sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Darlehensvertrag keinen Vorbehalt für eine spätere Änderung enthalte. Es gelten die allgemeinen Grundsätze, nach denen eine zeitlich spätere Vertragsregelung (hier der Arbeitsvertrag) die vorhergehenden Regelungen (hier im Darlehensvertrag) modifiziere. Der Darlehensvertrag schließe als speziellere Regelung auch nicht die Regelungen des Arbeitsvertrags aus, da der Darlehensvertrag selbst schon gar keine Ausschlussfristenregelungen enthalte.
- Zwar sei die Ausschlussfristenregelung aufgrund eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB teilweise unwirksam, weil sie u.a. Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus einer vorsätzlichen Handlung des Arbeitnehmers zeitlich begrenzt. Als Verwender der Klausel könne sich der Arbeitgeber aber nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Da der Arbeitgeber die erste Stufe und – selbst wenn man auf die Beendigung des Darlehensvertrags abstellen würde – der Kläger die zweite Stufe der Ausschlussfristen nicht gewahrt habe, sei der Darlehensrückzahlungsanspruch verfallen.
Gleiss Lutz kommentiert
Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und -klarheit. Die Arbeitsvertragsparteien sollen ihre Ansprüche zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses prüfen und innerhalb der Fristen geltend machen, damit sich der Anspruchsgegner rechtzeitig auf die Forderung einstellen und z.B. Beweise sichern oder entsprechende Rücklagen bilden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der geltend gemachte Anspruch auch tatsächlich unter das Ausschlussfristenregime fällt. Der 9. Senat prüft dies im aktuellen Urteil (zur Parallelentscheidung vgl. Urteil vom 16. April 2024 – 9 AZR 186/23) mustergültig für den Darlehensrückzahlungsanspruch durch und stellt aufgrund der engen inhaltlichen Verbindung des Darlehens zum Arbeitsverhältnis zu Recht eine enge Verknüpfung fest. Dass dies nicht in jedem Fall so sein muss, hat das BAG (Urteil vom 19. Januar 2011 – 10 AZR 873/08) bereits in einem anderen Rechtsstreit entschieden. Danach kann ein Arbeitgeberdarlehen auch keine enge Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis aufweisen, wenn es „unabhängig vom weiteren Bestand und der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden ist und es auch keiner Zweckbindung unterlag“.
Arbeitgeber sollten bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses daher genau überprüfen, (i) welche vertraglichen Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer bestehen, (ii) ob sich daraus noch etwaige (Rück-)Zahlungsansprüche gegen den Arbeitnehmer ergeben, (iii) ob diese aufgrund der (arbeits-)vertraglichen oder evtl. auch faktischen Gegebenheiten eng mit dem Arbeitsverhältnis verbunden sind und (iv) diese im Zweifel vorsorglich innerhalb der vereinbarten Ausschlussfristen geltend machen. Dies gilt angesichts der aktuellen Entscheidung insbesondere auch bei Ausbildungs- und Fortbildungskosten. Bei verspäteter Geltendmachung der (Zahlungs-)Ansprüche droht andernfalls deren vollständiger Verlust. Das gilt selbst dann, wenn die Ausschlussklausel rechtlich unwirksam sein sollte, da sich der Arbeitgeber im Streitfall grundsätzlich nicht auf die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel wird berufen können.