Der Bruch der Ampel-Koalition bringt viele Folgen mit sich. Mit der Auflösung des Bundestages gehen Unsicherheiten auch für verschiedene arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben einher. Einige der Vorhaben können voraussichtlich nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden. Ob eine neue Regierung diese Vorhaben überhaupt weiterverfolgen wird, bleibt ungewiss.
Diskontinuitätsprinzip und seine Folgen
Nach dem Bruch der Ampel-Regierung hatte der Bundeskanzler am 16. Dezember die Vertrauensfrage gestellt und planmäßig verloren. Über die daraufhin dem Bundespräsidenten vorgeschlagene Auflösung des Parlaments entschied dieser am 27. Dezember 2024 erwartungsgemäß und folgte dem Vorschlag. Am 23. Februar 2025 finden Neuwahlen statt.
Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, die der alte Bundestag noch nicht beschlossen hat, unterfallen der sachlichen Diskontinuität. Das heißt, dass sie am Ende einer Wahlperiode als erledigt gelten und in der neuen Wahlperiode nicht wieder aufleben, sondern neu eingebracht und verhandelt werden müssten. Sollen Gesetzesvorhaben also weiterhin umgesetzt werden, muss das Gesetzgebungsverfahren, angefangen bei der Gesetzesinitiative, in der folgenden Legislaturperiode von Neuem beginnen. Auf bereits beschlossene Gesetze hat das Diskontinuitätsprinzip hingegen keine Auswirkungen.
Ob Gesetze noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages beschlossen werden können, hängt neben dem parteiübergreifenden politischen Willen auch von dem Stadium ab, das sie im Gesetzgebungsprozess schon erreicht haben. Mit dem Ampel-Ende stellt sich die aktuelle Regierung als Minderheitsregierung ohne eigene parlamentarische Mehrheit dar. Für eine Mehrheit bei Abstimmungen über Gesetzesentwürfe kommt es somit auf die Oppositionsfraktionen insbesondere der CDU/CSU sowie der FDP an.
Arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben
Ein Blick auf die geplanten und noch nicht verkündeten arbeitsrechtlichen Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition zeigt, wo diese im Gesetzgebungsprozess stehen und ob mit einer Umsetzung noch gerechnet werden kann.
Tariftreuegesetz – inklusive Online-Betriebsratswahlen
Am 27. November 2024 hat das rot-grüne Bundeskabinett den Entwurf für ein Tariftreuegesetz beschlossen. Mit diesem soll die Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes gestärkt werden. Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Erprobung von Online-Betriebsratswahlen im Rahmen der zwischen dem 1. März und 31. Mai 2026 stattfindenden regelmäßigen Betriebsratswahlen vor.Bislang fehlt es an der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf und den anschließenden Lesungen im Bundestag sowie der Schlussabstimmung im Bundestagsplenum. Es ist deshalb nicht mehr damit zu rechnen, dass der alte Bundestag noch über den Gesetzentwurf beschließen wird. Selbst wenn es zu einer Abstimmung käme, gilt eine Mehrheit als äußerst fraglich, nachdem sowohl Vertreter der FDP als auch der CDU den Plänen bereits eine Absage erteilt haben.
- Homeoffice-Anspruch
Das Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten war ein zentrales Vorhaben der Ampelkoalition im Bereich des Arbeitsrechts. Die Koalition wollte mehr Rechte für die Beschäftigten schaffen. Insbesondere sah der Koalitionsvertrag einen Erörterungsanspruch vor: Arbeitgeber sollten dem Wunsch der Beschäftigten nach Home-Office nur dann widersprechen dürfen, wenn betriebliche Belange entgegenstünden. Ein Gesetzentwurf dazu ist indes von der Ampel-Koalition nicht in das parlamentarische Verfahren eingebracht worden. Für eine etwaige gesetzliche Regelung von mobiler Arbeit wird deshalb die nächste Legislaturperiode abzuwarten sein.
- Arbeitszeiterfassung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im April 2023 einen Vorschlag zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz vorgelegt. Das Vorhaben ist allerdings in diesem ersten Schritt des Gesetzgebungsprozesses stecken geblieben. Einen formellen Gesetzesentwurf (Regierungsentwurf) hat es bisher nicht gegeben. Auch dieses Gesetzgebungsvorhaben wird also in der laufenden Legislaturperiode wohl nicht mehr umgesetzt werden können.
- Beschäftigtendatengesetz
Am 8. Oktober 2024 legten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium des Innern und für Heimat ihren Referentenentwurf eines “Gesetzes zur Stärkung eines fairen Umgangs mit Beschäftigtendaten und für mehr Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt (Beschäftigtendatengesetz – BeschDG)” vor. Dieses Gesetzesvorhaben steht ebenfalls noch am Beginn des Gesetzgebungsprozesses und wird also vom aktuellen Bundestag voraussichtlich nicht mehr abgeschlossen werden.
- Entgelttransparenzgesetz
Die Regierungsparteien hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, an der Schließung der Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern zu arbeiten und dazu das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) weiterzuentwickeln. Zu diesem Thema ist am 6. Juli 2023 auch die europäische „Richtlinie zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ („Entgelttransparenzrichtlinie“) in Kraft getreten. Diese Richtlinie ist bis zum 7. Juni 2026 durch den deutschen Gesetzgeber umzusetzen. Ein Entwurf für ein entsprechendes Umsetzungsgesetz liegt bislang nicht vor; die Aufgabe wird also in der nächsten Legislaturperiode zu erledigen sein.
Gleiss Lutz kommentiert
Die Auflösung des Bundestages hat einen wesentlichen Einfluss auch auf die geplanten arbeitsrechtlichen Gesetzesvorhaben. Vorhaben, die bislang noch nicht abgeschlossen sind, werden aller Voraussicht nach in der derzeitigen Legislaturperiode auch nicht mehr abgeschlossen werden. Abzuwarten bleibt, welche der Themen die neue Regierung überhaupt angehen, priorisieren und umsetzen wird. Wir werden Sie selbstverständlich über die weiteren Entwicklungen und neuen Gesetzesvorhaben auf dem Laufenden halten.