Arbeitsrecht

Anspruch auf Bildungszeit – Qualifizierung für ehrenamtliche Tätigkeiten

Für den Anspruch auf Bewilligung von Bildungszeit für die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme nach § 1 BzG BW, die der Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten dient, genügt die abstrakte Eignung der Maßnahme, den Teilnehmer für die Ausübung eines Ehrenamts zu qualifizieren.

BAG, Urteil vom 12. Oktober 2021 – 9 AZR 133/21

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Fortzahlung ihres Entgelts für die Dauer einer Bildungsveranstaltung. Sie ist bei der Beklagten als technische Angestellte beschäftigt und beantragte schriftlich nach dem Bildungszeitgesetz BW (BzG BW) Bildungszeit für die Teilnahme an dem, bei einer anerkannten Bildungseinrichtung angebotenen, Lehrgang zur „Lizenzausbildung Übungsleiter C, Sport mit Älteren“. Der Lehrgang besteht aus mehreren Modulen, wobei sich der Antrag der Klägerin nur auf das erste Modul bezog. Die Klägerin kann die ehrenamtliche Tätigkeit erst nach Abschluss aller Module ausüben.

Die Beklagte lehnte den Antrag schriftlich ab und trug im Prozess (nur) vor, die Ablehnung sei form- und fristgerecht gewesen. Trotz der Ablehnung ihres Antrags nahm die Klägerin an dem Lehrgang teil. Die Beklagte wertete dies als unbezahlte Freistellung. Nachdem die Beklagte zunächst den vollen Monatslohn zahlte, zog sie zwei Monate später den Bruttolohn für die Fehltage ab und verrechnete dies mit dem Gehalt, wogegen sich die Klägerin gerichtlich wandte. Sie ist der Ansicht, ihr stehe nach den landesrechtlichen Regelungen des BzG BW ein Anspruch auf fünf Arbeitstage bezahlte Bildungszeit zu. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des ArbG hinsichtlich des Zinsbeginns abgeändert und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Entscheidung des BAG

Das BAG hob die Entscheidung auf und verwies die Sache wegen verschiedener Rechtsfehler an das LAG zurück. Dabei machte es sowohl Feststellungen hinsichtlich der Voraussetzungen des Anspruchs auf Bildungszeit als auch zur Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens von Ablehnungsgründen. Der Anspruch auf Bildungszeit ist ein gesetzlicher Freistellungsanspruch aus § 1 I 2 BzG BW. Diesen muss der Arbeitgeber bewilligen, damit der Arbeitnehmer seine Vergütung entgegen des allgemeinen Grundsatzes „ohne Arbeit keinen Lohn“ erhält. Das BAG stellte klar, dass Arbeitnehmer Bildungszeit bereits dann verlangen können, wenn sie das Ehrenamt aktuell noch nicht ausüben, sondern sich durch die Bildungsmaßnahme erst dafür qualifizieren möchten..

Für die ordnungsgemäße Ablehnung des Antrags trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Er kann den Antrag nur aus sachlichen, im Gesetz vorgesehenen Gründen, ablehnen. Diese muss er dem Arbeitnehmer mitteilen, um die Prüfung zu ermöglichen, ob ein sachlicher Grund vorlag oder er die Bildungszeit gerichtlich geltend macht. Deshalb muss der Arbeitgeber im Prozess von sich aus zu den Ablehnungsgründen vortragen.  

Gleiss Lutz kommentiert

Mit der Entscheidung stärkt das BAG das Recht von Arbeitnehmern auf bezahlte Bildungszeit, da es den Anspruch schon dann gewährt, wenn das Ehrenamt noch nicht aktuell, sondern erst zukünftig ausgeübt werden soll. Die Entscheidung passt damit zu dem Vorhaben des Bundesarbeitsministers, Deutschland zu einer „Weiterbildungsrepublik“ zu machen.

Arbeitgeber sollten bei Freistellungsansprüchen darauf achten, sowohl die Anträge der Arbeitnehmer, als auch die Antwort darauf gründlich zu dokumentieren, um diese in einem späteren Prozess vorlegen zu können.

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