Der Bundestag hat am 25. März 2020 das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" verabschiedet. Das Gesetz soll am 27. März 2020 auch vom Bundesrat beschlossen werden und dann (teilweise) rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten.
Gesetzliche Erleichterungen
Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten haben oder bekommen und in ihrer Existenz bedroht sind, sollen (jedenfalls vorläufig) fortgeführt werden können. Um dies zu erreichen sind durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ("COVInsAG") im Wesentlichen folgende vorübergehende Änderungen im Insolvenzrecht vorgesehen:
- Die Insolvenzantragspflicht wird bis zum 30. September 2020 eingeschränkt: Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Antragspflicht im Grundsatz ausgesetzt. Dies gilt nicht für Unternehmen, deren Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigen zu können.
- Die für den Geschäftsführer haftungsbewährten Zahlungsverbote werden vorübergehend eingeschränkt: Ist für ein zahlungsunfähiges oder überschuldetes Unternehmen die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, hat die Geschäftsführung Beschränkungen bei der Führung der Geschäfte zu beachten. Ohne das COVInsAG wären für zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen Zahlungen sehr weitgehend verboten, und die Geschäftsführer würden für die Einhaltung dieser Zahlungsverbote persönlich haften. Das COVInsAG wird nichts daran ändern, dass die Geschäftsführer bei einem Verstoß gegen die Zahlungsverbote persönlich haften. Aber zu den ausnahmsweise zulässigen Zahlungen gehören künftig alle Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang. Dass es sich um solche Zahlungen handelt ist ggf. vom Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen.
- Neue Finanzierungen werden vorübergehend erleichtert: Werden bis zum 30. September 2020 neue Kredite gewährt, sind spätere Rückzahlungen dieser Kredite und die für die Kredite bestellten Sicherheiten in einer etwaigen späteren Insolvenz nur eingeschränkt anfechtbar. Dies gilt teilweise sogar für neue Gesellschafterdarlehen. Auch deren Rückzahlung wird in einer etwaigen späteren Insolvenz nur eingeschränkt anfechtbar sein. Außerdem wird geregelt, dass die bis zum 30. September 2020 neu gewährten Kredite nicht als sittenwidriger Beitrag zu einer Insolvenzverschleppung anzusehen sind. Solche Kredite können daher von Banken und sonstigen Kreditgebern rechtssicher auch ohne Vorlage eines Sanierungsgutachtens gewährt werden. Für die von der KfW und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Corona-Hilfsprogramme gewährten Kredite gelten diese Privilegierungen uneingeschränkt und unabhängig davon, ob der Kredit vor oder nach dem 30. September 2020 gewährt wurde.
- Vorübergehende Einschränkung der Anfechtungsrechte im Insolvenzverfahren: Vertragspartner von Unternehmen in der Krise sollen motiviert werden, ihre Geschäftsbeziehungen fortzusetzen. Ihr Risiko, dass Lieferungen und Leistungen oder Sicherheiten in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren angefochten werden können, wird daher reduziert. Sicherungen oder Befriedigungen auf die "in der Art und zu der Zeit" ein Anspruch bestand, sind daher im Grundsatz nicht anfechtbar. Eine Anfechtung soll ausnahmsweise nur dann möglich sein, wenn dem Empfänger bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
Konsequenzen: Es gibt weiterhin Handlungspflichten und Haftungsrisiken, aber es bestehen auch Gestaltungsmöglichkeiten und Chancen
Auch künftig bestehen Handlungspflichten und substantielle Haftungsrisiken, die zu einer dokumentierten Corona-Krisen-Compliance zwingen. Die Insolvenzgründe sind auch weiterhin zu prüfen und zu überwachen, da sie darüber entscheiden, ob die eingeschränkten Zahlungsverbote zu beachten sind. Zudem sind die Insolvenzantragspflichten, mit den daran anknüpfenden strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftungen, nicht generell aufgehoben, sondern nur teilweise eingeschränkt. Soweit die Antragspflicht suspendiert ist, müssen die eingeschränkten Zahlungsverbote beachtet und deren Einhaltung dokumentiert werden. Zahlreiche weitere Handlungspflichten und zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken in der Krise lässt das COVInsAG völlig unberührt.
Generell bleiben Geschäftsführer und Vorstände verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Existenz des Unternehmens und zur Wahrung von Geschäftschancen zu treffen.
Geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität sind zu ergreifen. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. Liquiditätshilfen unter dem „KfW Sonderprogramm 2020“ müssen ggf. rechtzeitig beantragt werden.
Für viele Unternehmen werden möglicherweise weitgehende Restrukturierungen erforderlich. Rechtzeitiges Handeln kann auch hier über den Erfolg entscheiden. In vielen Fällen kann man nicht warten, bis sich die Corona-Pandemie abgeschwächt hat und wir zur Normalität zurückkehren können. Viele Restrukturierungen müssen jetzt geplant und begonnen werden. Ein rasches Handeln kann auch – gerade in der derzeitigen Ausnahmesituation – vielfältige Chancen bieten, nicht nur für Restrukturierungen und Reorganisationen, sondern z.B. auch für den Erwerb von Unternehmen oder Beteiligungen. Auch das Insolvenzrecht und Insolvenzverfahren bieten umfangreiche und attraktive Gestaltungsmöglichkeiten. Auch wenn Insolvenzantragspflichten suspendiert sind, bestehen Insolvenzgründe und Antragsrechte weiter. Diese können genutzt werden. Rechtzeitige Sanierungen im Schutzschirm-, Eigenverwaltungs-, Insolvenzplan- oder sonstigen Insolvenzverfahren mit Unterstützung und Beiträgen der Gesellschafter oder von Investoren können das Mittel der Wahl sein.
Die Themen sind komplex, die Anforderungen und (Haftungs-)Risiken sind enorm. Ohne professionelle Hilfe wird es kaum gelingen, die Situation bestmöglich zu meistern. Falls Sie Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns bitte an.